Piloten sind allgemein irrsinnige Autofahrer und arrogant und total cool. Schließlich wissen sie, dass sie über die Fähigkeit verfügen, sich mehrere tausend Meter über die graue Masse zu erheben. Die Besten waren natürlich Tobias und ich. Abgesehen von meinem ersten Prüfungsdesaster waren wir die temporären Stars der Flugschüler. Unser Gefühl der beginnenden Schwerelosigkeit zu dämpfen war nur der deutsche Aeroclub in der Lage- immerhin der verlängerte Arm des Bundesverkehrsministeriums. Und das hing mit unendlich langen Bearbeitungszeiten unserer Papiere zusammen, welche bei Wohlgefallen zur Ausstellung der ersehnten Pilotenlizenz führen sollten. In unserem Behördenrechtsstaat wird der erfolgreiche Prüfling nämlich erst einmal gegroundet. Flüge sind nur mit Auftrag eines Fluglehrers möglich und auf gar keinen Fall darf jemand mit. Uferlos. Natürlich wurden flugs die Telefonnummern des DAEC beschafft- der Bearbeitungsstand der Papiere täglich erkundet. Derart genaue Informationsbeschaffung ermöglichte die präzise Berechnung des Erhalts der Lizenz auf dem Postweg. Neben der Erstellung dieser Prognose führten wir eine detaillierte Flugvorbereitung für unseren ersten gemeinsamen Flug durch. Natürlich konnte das nicht der Platz neben Brauna sein, schließlich hatte die Allgemeine Luftfahrt Anspruch darauf, sich von unserem gewaltigen Leistungspotential zu überzeugen. Peenemünde. Immerhin mehr als 300km Luftlinie, der Platz ein Begriff der Luftfahrtgeschichte. Und so charterten wir bei Horst Kny eine Maschine für den Tag des prognostizierten postalischen Lizenzeingangs. Und er übergab uns- wie ich glaubte in Anerkennung unserer fliegerischen Leistungen- die Weltmeistermaschine DMRKJ, vollgetankt, ein bisschen gewaschen und sogar schon aus dem Hangar gerollt. Mangels eines Loses entschied ein Steinchen, dass ich den Hinflug machen sollte. Zunächst lauschten wir noch andächtig den Hinweisen unseres lieben Horst, welchem wir guten Gewissens nachdrücklich bestätigen konnten, im Besitz der Lizenz zu sein. Großzügig verzichteten wir auf die Erwähnung der selbst errechneten Posteingangslogistik- schon um auch keine Unruhe aufkommen zu lassen. Schließlich muß man an die eigenen Prognosen schon glauben. Vor dem Start auf Piste 08 waren schon 60 Sekunden Rollen auf Video gespeichert- schließlich schrieben wir Luftfahrtgeschichte und würden noch ausführlich berichten müssen. Die zwei Stunden in der Luft gingen natürlich wie im Fluge vorüber, die Sichten eher mäßig aber immerhin. Mit der professionellen Lässigkeit eines Airlinerpiloten meldete ich mich per Funk in Peenemünde zur Landung an. Rechter Gegenanflug, Queranflug und das spektakuläre Endteil. Dies führt über Wasser direkt aufs Festland, auf welchem unmittelbar die Piste beginnt. Also unverzichtbarer Bestandteil der Videodokumentation. Der Aufforderung zur langen Landung kam ich natürlich nach- für uns hätte der Taxiway gereicht. Unmittelbar vor der Beendigung des Sinkfluges breitete sich vor mir eine unendlich breite Betonmasse aus, strukturiert durch gehwegplattengroße Betonflächen. Abfangen, Horizontalflug, Fahrt vermindern, Ausschweben und heute besonders lange. Schließlich braucht dieser Weltflug eine superweiche Landung. Irgendwie schwebte die Maschine heute besonders lange und setzte noch nicht auf. Und sehr plötzlich kippte die Landebahn dem Cockpit entgegen und offenbarte mir, das sie doch wesentlich tiefer zu liegen schien als angenommen. Noch bevor mir dies richtig klar wurde, setzte die mit abgerissener Strömung und tief gesenkter Nase durchfallende Weltmeistermaschine mit einem wirklich unschönen Geräusch auf den nun mittlerweile riesig gewordenen Betonplatten auf. Wir fanden uns stehend- aber mit unnatürlicher Schräglage nach vorn- in erdrückender Stille auf der Piste wieder. Irgendwas war da eben mächtig schiefgelaufen. Und unaufhaltsam deutete sich ein riesiger Berg von Problemen an. Da galt es zunächst, den verunglückten Flieger von der Piste zu schaffen. Wohin? Bugrad hinüber, Propellerblätter ein paar Zentimeter kürzer. Ach ja. Posteingang Lizenz? Ein paar Anrufe später hatten wir Gewissheit: NEGATIV. Telefonischer Tatsachenbericht- ausgenommen Lizenzinfo- an Horst Kny. Krisensitzung. Gute Menschen hatten uns ein paar hundert Quadratmeter und Werkzeug in einem alten MIG- Hangar besorgt. Schlechte Menschen waren per Funk angekündigt- irgend so ein Beauftragter für Luftaufsicht- würde der Fragen stellen? Als die Maschine einschwebt flüchten wir in die Wälder wie kleine Kinder. Mittlerweile hatten wir eine Rettungscrew organisiert (Danke Udo), welche mit Ersatzteilen und Uwe Baum zur Unglücksstelle unterwegs war- per Auto. Einen Tag später bleibe ich zur Krönung mit dem Rettungscrewauto auf der Autobahn liegen- als hätte ich noch nicht genug Probleme. Am Folgetag landet die notoperierte Weltmeistermaschine mit geänderter Besatzung in Brauna. Nun geht es Schlag auf Schlag. Horst hat alle Mühlen in Bewegung gesetzt. Die Versicherung meldet sich, will auch gleich was über die Lizenz wissen- schlecht für mich; die Maschine hat keine gültige Jahresnachprüfung- schlecht für Host usw.. Sehr viel Ärger und viel mehr, und absehbar, dass das nur der Anfang einer Riesenkatastrophe ist. Machen wir´s kurz. Ein paar Tage später hat Tobias die Idee: Wir kaufen wir die Weltmeistermaschine. Rückwirkend. Die Verhandlung erfolgt hermetisch abgeriegelt in der alten Flugleitung. Ernste Mienen, unflexible Verhandlungspartner; nicht alle kennen die ganze Geschichte. Die fehlende JNP ist unser Joker, wir werden uns einig. Man schreitet zur Unterschrift. Es wird sehr still im Raum nachdem wir erklären, keine Charterrechnung zu erwarten, schließlich war das unsere Maschine. Genau 12 Tage später ist die Reparatur der KJ abgeschlossen.